Arthur Samuel war eines der jüngsten von acht Kindern von Samuel und Henriette Samuel. Insgesamt hatte das Ehepaar fünf Söhne und drei Töchter, die alle zwischen 1871 und 1882 in Hüls (Krefeld), Nordrhein-Westfalen geboren wurden.
Die Eltern
Die Familie Samuel in Hüls hat eine lange Geschichte. Samuel wurde dort im Jahr 1836 und Henriette im Jahr 1843 geboren. Samuel war Viehhändler, also in einem Gewerbe tätig, das in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts florierte, als die Bevölkerungszahlen stiegen und die Lebensverhältnisse sich verbesserten. Die Geschäftstätigkeit muss erfolgreich gewesen sein, denn auch der Sohn Arthur und seine Schwäger ergriffen diesen Beruf.
Samuel und Henriette waren praktizierende Juden und Mitglieder einer damals bedeutenden und gesellschaftlich anerkannten jüdischen Gemeinde, deren Zentrum Krefeld war. Dies ist bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass sich in dieser Region der Antisemitismus zunehmend ausbreitete, besonders auch nach dem 1. Weltkrieg.
Interessanterweise war zu der Zeit der Rabbiner dieser Gemeinde ein gewisser Leo Ullmann, der 1840 die jüdische Grundschule in der Stadt gründete; bis heute ein bekannter Name, weil Ullmann seinerzeit eine Übersetzung des Korans veröffentlichte. Dies weist eindeutig auf eine eher liberal gesinnte jüdische Gemeinde hin, was sich auch in der geistigen Haltung der Familie Samuel widerspiegelt.
Samuel starb 1896 im Alter von 60 Jahren; Arthur war zu diesem Zeitpunkt erst 16 Jahre alt. Er war von den männlichen Geschwistern der älteste, der noch zu Hause lebte und noch keinem Beruf nachging. Deshalb ist anzunehmen, dass Arthur verpflichtet war, das Familienunternehmen zu übernehmen.
Henriette starb 1919 im Alter von 76 Jahren in Krefeld als Großmutter von mindestens neun Enkelkindern, von denen einige in anderen Teilen Deutschlands lebten. Zum Zeitpunkt des Todes seiner Mutter war Arthur bereits verheiratet und erst kurz davor nach Cadenberge gezogen.
Die Geschwister
Aufenthaltsorte der Geschwister Samuel ab 1930.
(Grafik erstellt nach Unterlagen der Familie)
Aus Familienaufzeichnungen und Hinweisen im Internet ergeben sich folgende Informationen über das Schicksal von Arthurs Brüdern und Schwestern:
Adolph heiratete 1899, im Alter von 28 Jahren, Caroline Levy aus den Niederlanden und wohnte seitdem offenbar in Venlo, Limburg. Da Venlo nur 30 Kilometer von Hüls entfernt liegt, ist es wahrscheinlich, dass das Ehepaar mit ihren dortigen Verwandten in recht engem Kontakt blieb.
Während die Einzelheiten des Schicksals von Adolph und Caroline in der Nazizeit nicht bekannt sind, wissen wir, dass ihre Tochter Grete überleben konnte.
Johanna, die älteste der Schwestern, blieb zeitlebens in Hüls. Sie war mit dem Viehhändler Josef Davids verheiratet, der Mitglied einer großen und prominenten jüdischen Familie in der Gegend war. Mit 69 Jahren wurde Johanna nach Treblinka deportiert und dort 1942 ermordet, ebenso wie ihr Mann und ihr Sohn Ernst.
Josef Max war wie sein älterer Bruder mit einer Niederländerin verheiratet. Mit 50 Jahren heiratete er Elizabeth van Schaak. Offenbar haben die beiden zunächst eine Zeit lang in Hüls gewohnt, bevor sie dann nach Den Haag in die Provinz Zuid-Holland gezogen sind. Beide wurden fast 70-jährig von dort nach Auschwitz deportiert, wo sie 1943 ermordet wurden.
Emilie wurde vier Jahre vor Arthur geboren. Sie heiratete Moritz Voss, einen Viehhändler. Das Paar lebte zunächst glücklich und zufrieden viele Jahre in Hüls; in dieser Zeit wurden ihre vier Kinder geboren. Die Geschäftssituation und möglicherweise andere Zwänge veranlassten sie dann, zusammen mit ihrer jüngsten Tochter Kate nach Bartenstein in Ostpreußen zu ziehen. Dieser Umzug erfolgte wahrscheinlich Ende der 1920er Jahre, relativ lange, nachdem Arthur nach Niedersachsen gezogen war. Zwischenzeitlich war der jüngere Sohn Max früh verstorben und die ältere Tochter Else hatte geheiratet und war in die Tschechoslowakei nach Prag gezogen.
Die zunehmende Verfolgung der Juden und die wachsende Isolation von den Familienmitgliedern bewogen Emilie dazu, Deutschland zu verlassen. Mit viel Hilfe ihres ältesten Sohnes Fritz, der Anfang der 1930er Jahre nach Südafrika geflohen war, gehörten sie zu den Letzten, die mit einer fünftägigen Flugbootreise vor Ausbruch des 2. Weltkriegs entkommen konnten.
Der Ehemann Moritz starb kurz nach seiner Ankunft in Johannesburg; Emilie jedoch lebte bis zum hohen Alter von 82 Jahren, getragen von der Fürsorge und dem Trost ihrer beiden überlebenden Kinder.
Dadurch war es ihr möglich, auch die frühen Lebensjahre ihrer beiden Enkelkinder zu genießen, von denen einer der Co-Autor dieses Berichtes ist. (Emilie war also die Großmutter von Henry Irwig.)
Die mit der Emigration verbundenen schwierigen finanziellen und sonstigen Umstände erlaubten es Emilie und ihrem Bruder Arthur jedoch leider nie, sich vor ihrem Tod (im Jahr 1958) zu treffen. Sie standen jedoch in Kontakt miteinander, hauptsächlich durch einen regelmäßigen Briefwechsel.
Hermine war die jüngste der drei Schwestern. Sie wohnte ihr ganzes Leben im Raum Krefeld, einen großen Teil davon mit ihrem 1937 verstorbenen Mann Albert Salomon. Zusammen mit vielen anderen aus der Gemeinde wurde sie nach Theresienstadt deportiert, wo sie im Jahr 1942 im Alter von 64 Jahren ermordet wurde.
Arthur war 23 Jahre alt, als er Hüls im Jahr 1903 verließ. Über diese frühe Zeit gibt es kaum Informationen; auch sind die Gründe für den Wegzug nicht bekannt.
Meinhard, der zwei Jahre jüngere Bruder von Arthur, blieb die meiste Zeit seines Lebens in Hüls. Dort heiratete er Paula Gerson, die ebenfalls Mitglied einer großen Familie war. Sie hatten zusammen vier Kinder. Meinhard eröffnete als gelernter Fleischer (möglicherweise als Ableger des elterlichen Betriebes) eine eigene Metzgerei und setzte damit die auf den Fleischhandel bezogene Tradition der Familie fort.
Da Meinhard im 1. Weltkrieg als Soldat für Deutschland gekämpft hatte, war er überzeugt, dass ihm trotz der Verfolgung von Juden nichts passieren würde. Obwohl ihn seine Kinder dazu drängten, weigerte er sich auszuwandern. Aufgrund der zunehmenden Boykotte musste Meinhard schließlich sein Geschäft und bald darauf auch sein Haus verkaufen. Nach der sogenannten „Kristallnacht“ im November 1938 wurden er und seine beiden Söhne ins KZ Dachau deportiert, wo sie drei Monate festgehalten wurden. Ihr späterer Plan, nach Trinidad auszuwandern, scheiterte. So wurde Ende des Jahres 1941 die gesamte Familie, bis auf die zuvor nach England übergesiedelte Tochter Hilde, in das Ghetto in Riga deportiert.
Meinhard konnte den katastrophalen Lebensbedingungen dort nicht lange standhalten und starb nach wenigen Wochen. Er hinterließ seine Frau, zwei Söhne und eine jüngere Tochter in erschütternden Umständen, die nur seine beiden Söhne überlebten.
Karl war Vater von zwei Kindern und es ist nur bekannt, dass er Mitte der 1910er Jahre von Hüls nach Magdeburg gezogen ist. Über die genauen Geburts- und Todesdaten gibt es keine Unterlagen.
Das Ehepaar Samuel in Hüls hatte acht Kinder; nur zwei waren 1945 noch am Leben.
Die Schrecken und das Leid dieser Familie in der Nazizeit sind unvorstellbar.
(Weitere Informationen über das Schicksal Einzelner werden unter „Das Schicksal der Familie in der zweiten Generation“ und im Archiv erläutert.)