Arthur und Eugenie heirateten im Jahr 1910 in Otterndorf, etwa 15 Kilometer nordwestlich von Cadenberge. Die Stadt war lange Zeit der Hauptort des Landes Hadeln und bis zur Gründung des Landkreises Cuxhaven im Jahr 1977 auch Kreisstadt.
Beide Samuels waren zum Zeitpunkt der Trauung 30 Jahre alt und ihre Ehe dauerte 46 Jahre – im wahrsten Sinne des Wortes in guten und in schlechten Zeiten.
Im Jahr 1917 zogen Eugenie und Arthur nach Cadenberge und teilten ihr Leben in dieser Gemeinschaft bis 1956, als Eugenie starb.
Eugenie Samuel (geb. Barnatzky)
Eugenie wurde 1880 in Gänglingen, Lothringen geboren. Gänglingen, heute Guinglange in der französischen Moselregion, ist auch heute noch ein kleiner ländlicher Weiler mit nur wenigen hundert Einwohnern. Von dort bis nach Cadenberge sind es etwa 800 Kilometer, was damals als eine beträchtliche Entfernung angesehen werden musste.
Wann genau Eugenie nach Norddeutschland gezogen ist, bleibt im Nebel der Zeit verloren, ebenso wie die Umstände, die ihren Zuzug dorthin ausgelöst haben. Es könnte mit der politischen und religiösen Instabilität der Region Elsass-Lothringen um die Wende zum 20. Jahrhundert zu tun haben. Vielleicht auch mit den relativ besseren Arbeitsmöglichkeiten im Norden oder, was jedoch noch viel weniger wahrscheinlich ist, mit einem Umzug der gesamten Familie Barnatzky, über die bedauerlicherweise keinerlei Informationen bekannt sind.
Leider bleiben auch Details des Werbens zwischen Eugenie und Arthur unbekannt. Sie heirateten in einem städtischen Standesamt, was sicherlich mit den unterschiedlichen religösen Hintergründen zu erklären ist. In der Heiratsurkunde ist vermerkt, dass Eugenie evangelisch und Arthur Jude war. Weitere Hinweise, wie etwa über die Teilnahme von Familienmitgliedern an der Trauungszeremonie, liegen nicht vor.
Als Berufe werden in der Urkunde für Arthur Viehhändler und für Eugenie Stütze (was z.B. im Rheinland eine umgangssprachliche Bezeichung für Haushaltshilfe ist) angegeben.
Eine Partnerschaft auf Augenhöhe
Eugenie war in vielerlei Hinsicht eine enorm unterstützende Partnerin für Arthur, auch was die geschäftlichen Dinge betrifft. So muss es auch zu Beginn der 1930er Jahr gewesen sein, als es juristische Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit einer Klage von Dritten gegen Arthur wegen angeblich ausstehender Zahlungen gegeben hat. Eugenie konnte in dieser Zeit ihr positives und hilfreiches Verhandlungsgeschick unter Beweis stellen.
Handschriftlicher Vermerk von Eugenie Samuel aus dem Jahr 1954 an die Entschädigungsbehörde beim Regierungspräsidenten in Stade.
(Quelle: Niedersächsichsisches Landesarchiv, Signatur NLA St Rep. 210 Nr. 2006. Wir bedanken uns für die Genehmigung.)
Im Gegensatz zu vielen anderen Paaren, bei denen einer der Partner jüdisch war, lebten Eugenie und Arthur während der Nazizeit weiterhin zusammen in Cadenberge. Während solche sogenannten „Mischehen“ damals unüblich waren, scheint es in Otterndorf noch ein Ehepaar gegeben zu haben, in dem eine Jüdin mit einem Kirchendiener der dortigen evangelisch-lutherischen Kirche verheiratet war.
Eugenies unerschütterliche Unterstützung für Arthur setzte sich während der Nazi-Jahre fort, in denen sie viele Entbehrungen erlebte und ihre Gesundheit einbüßte, um sicherzustellen, dass sie und ihr Mann mit dem geringsten Existenzminimum versorgt würden. Als Arthurs Einkommen und die Ersparnisse der Familie im Wesentlichen ausgelöscht wurden und Arthur zu Straßenbauarbeiten abkommandiert wurde, war Eugenie gezwungen, in einer Fischfabrik im nahe gelegenen Cuxhaven zu arbeiten. Da sie nie in einem Anstellungsverhältnis gearbeitet hatte, geriet sie in ungewöhnlich schwierige Umstände, weil sie im Alter von 60 Jahren in die Situation kam, schwere Kisten und Fässer zu heben und in Eiskisten und in Sole zu arbeiten. Die Tatsache, dass sie mit einem Juden verheiratet war, veranlasste die Fabrikbesitzer dazu, Eugenie den ausländischen Arbeitern aus Russland und Polen zuzuteilen, die viel jünger waren und deren Leistung sie trotz ihres Alters erreichen musste.
Mehrfach konnten wir aus verschiedenen Quellen zur Kenntnis nehmen, dass Eugenie auch gerade trotz dieser Erniedrigungen und hohen Belastungen für ihren starken Charakter, ihre Gutmütigkeit und ihre Hilfsbereitschaft in der Nachbarschaft gerühmt wurde. Der gute Wille in der Gemeinschaft der Gemeinde lässt sich daran ablesen, dass Eugenie von den BürgerInnen Cadenberges hochgeschätzt wurde und nie zum Opfer von Belästigungen und Beleidigungen geworden ist.
Es wird niemanden überraschen, dass Eugenie nach dem Krieg für invalide erklärt und vor allem als Opfer rassistischer Verfolgung anerkannt wurde.
Zum Gedenken
Fest steht, dass Eugenie und Arthur einander treu ergeben waren und dass Eugenie fest zu ihrer Vereinigung stand, ungeachtet der Unterschiede in Tradition, Religion und den Belastungen und Opfern, die sich aus der jahrelangen Verfolgung ergaben.
Leider hatte das Paar keine Kinder. Für die BewohnerInnen von Cadenberge ist jedoch der Erhalt des gemeinsamen Grabsteins weiterhin ein Zeugnis von der Ehe zweier außergewöhnlicher Persönlichkeiten, die gemeinsam die Nazizeit überstanden haben.