Zur zweiten Generation der Familie von Arthur Samuel gehören 14 Neffen und Nichten. Fast alle wurden in Hüls (heute Nordrhein-Westfalen) geboren; das älteste Kind Ernst im Jahr 1898, das jüngste Kind Helga im Jahr 1929.

Acht Angehörige aus dieser Generation überlebten die Nazi-Zeit, nachdem sie in den 1930er Jahren aus Deutschland und in einem Fall aus Holland geflohen waren.

Drei Verwandte wurden in Konzentrationslagern im Osten zusammen mit ihren Familien getötet.

Ein Mitglied dieser Generation starb 1930 in Hüls und das Schicksal von zwei anderen ist unbekannt.

Die meisten Überlebenden reisten so weit weg von Europa, wie es damals möglich war; vier nach Südafrika und zwei nach Australien. Die zwei anderen fanden eine Zuflucht in England. (Siehe Grafik hier) Das Leben aller acht Überlebenden der zweiten Generation war in den Jahren vor und nach der Emigration sehr schwierig. Die Mühen einiger waren wirklich entsetzlich. Ein kurzer Überblick über ihre Ausreise aus Deutschland, geordnet nach Einwanderungsländern, wird im Menüpunkt »Archiv« präsentiert, ebenso wie das Schicksal ihrer verstorbenen Cousins.

Aufenthaltsorte der Nichten und Neffen von Arthur Samuel ca. 1958.
(Grafik erstellt nach Unterlagen der Familie)

Arthur und Eugenie von der Familie isoliert

Mehrere der überlebenden Angehörigen aus der zweiten Generation nahmen nach dem Krieg wieder Kontakt zueinander und zu Arthur auf. Aber nur dem Neffen Fritz (der Sohn von Arthurs Schwester Emilie) war es zu dieser Zeit möglich, internationale Reisen zu unternehmen. Diese unglückliche Situation führte dazu, dass es mit nur wenigen Ausnahmen, für Arthur und Eugenie in Cadenberge nach dem 2. Weltkrieg fast gar keinen persönlichen Kontakt zu den nahen Verwandten gab. So kam es lediglich zu ein oder zwei Besuchen in den 1950er Jahren durch den Neffen Fritz.

Und es gab einen Besuch Mitte der 1960er Jahre durch Henry Irwig, einer der Autoren dieses Textes, der ein Enkel von Arthurs Schwester Emilie ist. Über seinen Besuch schreibt er wie folgt:

Arthurs Frau Eugenie starb 1956 und seine Schwester Emilie 1958.

„Im Jahr 1964, im Alter von 21 Jahren, fuhr ich zum Besuch nach Cadenberge. Die Entscheidung, in dieses Land zu fahren, das mit dem größten Teil unserer Familie so brutal unmenschlich verfahren ist, fiel mir damals nicht leicht. Ich arbeitete zu diesem Zeitpunkt für ein Jahr in London und wollte dann nach Südafrika zurückkehren, um mein Architekturstudium abzuschließen. Mein Großonkel Arthur war zu dieser Zeit 84 Jahre alt und deshalb schien es mir die letzte Gelegenheit, dass ein Mitglied aus der ersten und der dritten Generation der Familie Samuel einige Zeit miteinander verbringen konnten.

Per Fähre über den Ärmelkanal reiste ich im Anschluss mit der Bahn nach Hamburg und dann weiter nach Cadenberge. Dort wurde ich am Bahnhof von Arthur und seinem geliebten Hund empfangen. Ganz in der Nähe stand Arthurs Haus in der Osterstraße. Obwohl mein Großonkel und ich uns noch nie zuvor getroffen hatten, entstand sofort eine enge Beziehung. Arthur war erkennbar sehr erfreut, endlich wieder Zeit mit einem Familienmitglied verbringen zu können. Die Aufnahme bei ihm Zuhause war herzlich. Arthur wurde unterstützt von einem Helfer, der tägliche Besorgungen erledigte und mit meinem Großonkel auf Plattdeutsch kommunizierte. Ich erinnere mich an Arthurs Erstaunen darüber, dass ich Teile der Unterhaltung verstehen konnte. Es gibt nämlich eine große Ähnlichkeit zwischen dem Plattdeutschen und Afrikaans, der Sprache, die jedes Schulkind in Südafrika beherrschen musste.

Während des nur wenige Tage dauernden Besuchs sprachen mein Großonkel und ich hauptsächlich über das gegenwärtige Leben. Arthur wollte auch über Eugenie sprechen und mehr über seine Schwester Emilie und ihr Leben in Südafrika erfahren. Die Vergangenheit und die Nöte der NS-Zeit wurden nicht erörtert. Der Besuch war für Arthur und mich gleichermaßen ein ganz besonderes Erlebnis, sicher auch inspiriert durch die emotionale Verbindung meines Großonkels zu seiner Schwester Emilie, meiner Großmutter. Beide sind mir als sympathisch, mitfühlend, nicht wertend, aber direkt, in lieber Erinnerung geblieben.”

Das erste Lebenszeichen nach der Nazi-Barbarei. Arthur hat erst im Mai 1946 die Möglichkeit, seiner Schwester Emilie einige Zeilen zu schreiben.
(Quelle: Privat, Familienbesitz).

Der Neubeginn

Nach einigen Jahren in ihren Wahlheimatländern gründeten die meisten Neffen von Arthur ein eigenes Unternehmen, so wie auch die Eltern von Henry, Kate und Herbert. Zu den Branchen gehörten: Lampenschirmherstellung (Fritz und Erich in Durban, Südafrika), Krawattenfertigung (Werner in Sydney, Australien), Klempnerarbeiten (Heinz in Sydney, Australien) und ein Lebensmittelgeschäft /Supermarkt (Kate und Herbert in Johannesburg, Südafrika). Alle diese Unternehmen florierten und wurden zum Teil zu wichtigen nationalen und sogar internationalen Akteuren. Diese wirtschaftlichen Tätigkeiten verlangten sehr harte Arbeit und viele Entbehrungen von den Familien.

Arthurs Neffe Erwin und seine beiden Nichten Grete und Hilde waren in Angestelltenverhältnissen tätig. Erwin viele Jahrzehnte als leitender Kostenbuchhalter, Grete in einer administrativen Position im Zentrum von London, Hilde bis zu ihrer Hochzeit viele Jahre als Dienstmädchen und Haushälterin bei einer jüdischen Familie in London.

Die Familie heute

Nach dem Krieg hatte die Familie Samuel sieben Kinder, die alle auf der Südhalbkugel der Erde geboren wurden, zwei in Südafrika und fünf in Australien. Diese dritte Generation hatte ein Geschwisterchen weniger als Arthurs Generation und war halb so groß wie die zweite Generation, bestehend aus Arthurs Nichten und Neffen. Dieser Rückgang ist angesichts des Todes so vieler Angehöriger und den traumatischen Auswirkungen der Nazizeit nicht verwunderlich.

Zur vierten Generation mit den Ururenkeln von Arthurs Schwester Emilie und Bruder Meinhard gehören zwölf Familienmitglieder. Zehn leben in Australien, eines in den USA und eines in Europa.

Fast ein Jahrhundert nach einer Generation, die aus 14 Geschwistern bestand, ist die Zahl der Nachfahren gesunken und nur einer von ihnen ist nach Europa zurückgekehrt.